Zentralbankgeld entsteht grundsätzlich durch ein sogenanntes Aktivgeschäft
der Zentralbank. Danach müssen die Geschäftsbanken der Notenbank
öffentliche und private Schuldtitel wie Wertpapiere oder Handelswechsel
als Pfand hinterlegen oder als Eigentum übertragen, um Geld zu erhalten.
Welche Sicherheiten akzeptiert werden, also welche Wertpapiere refinanzierungsfähig
sind, bestimmt die Zentralbank. Nach einer festgelegten Zeit – meistens
nach zwei Wochen – haben die Kreditinstitute das geliehene Geld plus Zinsen
zurückzuzahlen und erhalten im Gegenzug ihre Sicherheiten zurück.
An die Stelle von Wertpapieren können bei der Geldentstehung und -vernichtung
auch Devisen treten, d. h. die EZB kauft Devisen an und verkauft sie zu
einem festgelegten Zeitpunkt wieder an die Geschäftsbank. Diese Operation
ist ein Devisenswapgeschäft. Die von der Zentralbank verlangten Zinssätze
werden häufig als Refinanzierungszinssätze bezeichnet. Durch
die kurzen Laufzeiten ihrer allermeisten Kredite sind die Geschäftsbanken
immer wieder gezwungen, Geld bei der Zentralbank nachzufragen, so
dass die Zentralbank sie ”an der kurzen Leine” führen kann. Zur Geldemittierung
bedient sich die EZB sowie alle modernen Zentralbanken verschiedener Instrumente,
von welchen die sogenannten Offenmarktgeschäfte die wichtigsten sind.
Der Name deutet die Geschichte dieses geldpolitischen Instruments an: Ursprünglich
wurden so Käufe und Verkäufe von Wertpapieren an der Börse
benannt. Heutzutage werden die refinanzierungsfähigen Wertpapiere
üblicherweise beliehen (sie dienen also als Pfänder) oder von
der Zentralbank mit einer Rückkaufsvereinbarung durch die Geschäftsbanken
”gekauft”. Im
zweiten Fall handelt es sich um ein sogenanntes Pensionsgeschäft
– die Zentralbank nimmt die Wertpapiere eine Zeit lang in Pension. In allen
Fällen verlangt die Zentralbank eine Verzinsung ihres Geldes. Solche
Geschäfte schließt die EZB nur mit Geschäftsbanken ab.
Von besonderer Bedeutung im Rahmen der Offenmarktgeschäfte ist das
”Hauptfinanzierungsinstrument”
(Haupttender), da mit diesem Instrument der größte Teil
des Geldes emittiert und der Leitzinssatz festgelegt wird. Diese Operationen
werden üblicherweise wöchentlich auf Initiative der Zentralbank
hin durchgeführt. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten
der Geschäftsabwicklung. Im ersten Fall nennt die Zentralbank den
Zinssatz (bzw. bei Devisenswapgeschäften
den Swapsatz), zu dem sie ihr Geld zur Verfügung stellen möchte,
und die Geschäftsbanken nennen die Beträge, die sie zu diesem
Zinssatz gern hätten. Übersteigt die Nachfrage der Kreditinstitute
den von der EZB angestrebten Zuteilungsbetrag, so werden die Gebote der
Geschäftsbanken anteilig bedient. Hier handelt es sich um einen ”Mengentender”.
Während die EZB zunächst das Mengentenderverfahren angewandt hat, ist sie seit einiger Zeit auf den ”Zinstender” umgestiegen. Der Grund war, dass die Geschäftsbanken sehr hohe Gebote abgegeben haben, so dass die Zuteilungsquote immer geringer wurde. Beim Zinstenderverfahren müssen die Geschäftsbanken nicht nur die gewünschte Geldmenge, sondern auch die Zinssätze nennen, zu denen sie bereit sind, das Geld aufzunehmen. Nun kann die Zentralbank den Geschäftsbanken das Geld nach einem einheitlichen Zinssatz zuteilen (holländisches Verfahren) oder zunächst das höchste Zinsangebot bedienen, dann das zweithöchste usw., bis die erwünschte Zuteilungsgrenze erreicht ist (amerikanisches Verfahren).
Neben den Hauptfinanzierungsgeschäften existieren noch längerfristige
Refinanzierungsgeschäfte mit einer Laufzeit von drei Monaten, Feinsteuerungsoperationen
und strukturelle Operationen, auf deren Darstellung hier verzichtet werden
soll, da dadurch keine grundsätzlich anderen Aspekte der Geldschöpfung
und der Arbeitsweise von Notenbanken entstehen würden.
Wichtig für das Verstehen der Geldpolitik der EZB sind allerdings
die sogenannten ständigen Fazilitäten. Hier wird zwischen ”Spitzenrefinanzierungsfazilitäten”
und ”Einlagefazilitäten” unterschieden. Durch die Einlagefazilität
haben die Kreditinstitute die Möglichkeit, Guthaben bis zum nächsten
Geschäftstag bei der EZB zu einem von der EZB zu zahlenden, festgelegten
Zinssatz zu ”parken”. Sofern also eine Geschäftsbank am Abend
überschüssige Liquidität hat, kann sie dieses Geld entweder
anderen Geschäftsbanken leihen, die ”knapp bei Kasse” sind, oder es
bei der EZB über Nacht anlegen. Der Zinssatz für diese Einlagen
liefert somit die untere Grenze für Interbanken-Geldgeschäfte,
da keine Geschäftsbank, die Geld verleihen
möchte, einen niedrigeren Zinssatz akzeptieren wird als jenen,
den ihr die EZB zahlt. Damit kann die EZB nach unten zumindest die kurzfristigen
Zinssätze direkt steuern. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität
liefert die obere Begrenzung. Denn wenn Kreditinstitute in Liquiditätsengpässe
geraten, können sie sich auch außerhalb der Hauptfinanzierungsgeschäfte
kurzfristig Geld bei der Zentralbank besorgen. Für diese Form
der Kreditgewährung durch die EZB gibt es keine Höchstgrenzen,
sofern hinreichende Sicherheiten geboten werden können. Dadurch garantiert
die EZB dem Finanzsektor eine stets ausreichende Geldversorgung, was auch
ihrer Funktion als Lender of Last Resort entspricht. Allerdings sind diese
Kredite teurer als die sonstigen Zentralbankkredite. Sie begrenzen die
Zinsspanne nach oben, weil auch bei Liquiditätsengpässen keine
Geschäftsbank bereit ist, einem anderen Kreditinstitut höhere
Zinssätze zu zahlen als die von der EZB verlangten, da sie sich
dort jederzeit verschulden kann. Mit dem Zinssatz für Einlagefazilitäten
und dem für Spitzenrefinanzierungsfazilitäten schafft die EZB
einen Zinskorridor, der die Zinsschwankungen auf dem Interbanken-Geldmarkt
eng begrenzt.
Da die Geschäftsbanken auf Zentralbankgeld unter keinen Umständen
verzichten können, kann die Zentralbank ihre Refinanzierungszinssätze
grundsätzlich beliebig weit erhöhen, ohne dass sich die Geschäftsbanken
letztlich dagegen wehren könnten. Die Geschäftsbanken ihrerseits
erhöhen bei einer Kreditvergabe diesen Refinanzierungszinssatz um
die Kosten des
Bankbetriebs, eine Gewinnmarge und eine Unsicherheitsprämie. Damit
steuern Zentralbanken das Zinsniveau einer Volkswirtschaft; sie können
die Geschäftsbanken veranlassen, Geldgeschäfte zu steigenden
oder sinkenden Zinssätzen anzubieten. Grundsätzlich sind Zentralbanken
so z. B. in der Lage, die Verleihzinsen der Geschäftsbanken nach oben
zu treiben und damit die Nachfrage vor allem nach Investitionsgütern,
aber auch nach langlebigen Konsumgütern wie Privathäuser, Autos
etc. zu drosseln und schließlich eine konjunkturelle Rezession einzuleiten.
Diese Zinssatzsteuerung gelingt den Zentralbanken sehr gut im kurzfristigen
Bereich. Schwieriger ist diese Steuerung für langfristige Kreditlaufzeiten.
Allerdings vermag die Zentralbank – mit einer gewissen Zeitverzögerung
– auch die Zinssätze im Langfristbereich nach ihren Wünschen
zu beeinflussen. Falls sie nämlich ihre Refinanzierungszinssätze
erhöht, steigen die Zinssätze im Interbankenbereich schnell und
zuverlässig. Dadurch entsteht für die Geschäftsbanken ein
Interesse, sich vermehrt Geld von den Haushalten zu leihen, so dass auch
der Zinssatz für kurzfristige Termingelder steigt. Dadurch wächst
die Zinsdifferenz zwischen kurzfristigen Termingeldern und den noch immer
zinsgünstigen längerfristigen Anlagen. Durch den Versuch der
Geschäftsbanken, diese Gelder anzuwerben, steigen schließlich
auch die Zinssätze in diesem Bereich. Die ursprüngliche Erhöhung
der Refinanzierungszinssätze der Zentralbank hat sich durch die skizzierten
Arbitrageprozesse auch im langfristigen Bereich niedergeschlagen.