Horst, der Mensch: Der verschlungene Pfad – Geschichte eines europäischen Buddhisten - Stand 17.02.20

Szene 102 – Meine Beteiligung am Golfkrieg – 1991


Im Sommer 1990 hatte der Irak den kleinen Nachbarstaat Kuwait besetzt. Zuvor bereits hatte sich der irakische Machthaber S. Hussein mit der amerikanischen Botschafterin über diese Option unterhalten. Da er hierzu keine ablehndende Haltung erfuhr, ging er davon aus, dass die USA das hinnähmen. Schon in der Vergangenheit waren die Beziehungen des Irak zu den USA militärisch gut, die USA hatten den Irak im Krieg gegen den Iran unter anderem mit Waffenlieferungen unterstützt.

Allerdings hatte Hussein offensichtlich die Lage falsch eingeschätzt, denn die USA reagierten scharf und der US-amerikanische Machthaber Georg Bush (sen.) drohte dem Irak mit Krieg, wenn er sich nicht aus Kuwait zurückzöge. Selbstverständlich ging es dabei nicht um die territoriale Integrität eines kleinen undemokratischen Scheichtums in der arabischen Wüste, sondern einmal mehr ums Öl. Es wurden Schreckensnachrichten aus dem besetzten Land verbreitet, um die amerikanische Öffentlichkeit auf einen Waffengang vorzubereiten. So wurden z.B. ein Filmbericht im US-Fernsehen gezeigt, in dem eine angebliche kuwaitische Krankenschwester aus einem Kinderkrankenhaus berichtet, wo irakische Truppen Säuglinge getötet hatte. Später stellte sich heraus, dass diese Darstellerin eine Prinzessin des kuwaitischen Herscherclans war, die außerdem zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr in Kuwait war. Wie üblich stirbt dieWahrheit im Kriegsfall zuerst.

Tatsächlich griff die USA im ersten sog. Golfkrieg unter Bush (sen.) Irak am frühen Morgen des 15. Januars 1991an. Seither ist der ehemals wohlhabende Irak ein armes Land, allein am amerikanischen Arzneimittelembargo sollen mehr als 1 Mio. Menschen – in der Vielzahl Kinder - gestorben sein.

Sicher war der Irak – wie viele andere Länder auch – eine Diktatur mit einer Einparteienherrschaft (der Baath-Partei, die auch Assads Syrien regiert). Ich bezweilfle aber, dass man den in der Diktatur Unterdrückten am besten hilft, wenn man sie bombardiert und ein medizinisches Embargo übers Land verhängt. Daher gab es in vielen Ländern ein Wiederaufflammen der Friedensbewegung. „Kein Blut fürs Öl“ war damals das Schlagwort der Fridensbewegten, es erinnert mich an Buddhas Ausspruch: „Was glaubt ihr wohl was wertvoller ist: Blut oder Wasser?“, mit dem der Buddha einen Krieg um Wasserrechte in Nordindien vor 2500 Jahren verhinderte.

Selbstverständlich beteiligte ich mich an den Aktionen der Friedensbewegung. Damals, als es noch kein Internet gab, vernetzten sich die Friendsaktivisten über sog. Golfkriegsbüros, die in allen größeren Städten existierten, Nachrichten sammelten, Aktionen koordinierten, Kundgebungen organisierten. Auch in Hanau gab es ein solches Golfkriegsbüro, es war im ÖkoBüro Hanau, also bei uns im Haus, und es war rund um die Uhr besetzt.

(Hinweis: ich habe eben den späteren Namen „ÖkoBüro Hanau“ verwendet, weil dieser bekannter war. So hieß die Einrichtung allerdings erst ab 1993, damals war die Bezeichnung noch „Bürogemeinschaft Großauheim“, die inhaltliche Ausrichtung war jedoch die gleiche wie später: das Büro vernetzte Personen und unterschiedlichste Gruppen aus dem, was als grün/links/alternativ galt.)

Ich habe diesen Szene jedoch mit „Meine Beteiligung am Golfkrieg“ überschrieben, weil mein Engagement noch weiter ging. Nur wenige Tage später fand eine Sitzung des Kreistages statt, zu deren Beginn es eine Aktuelle Stunde gab, Thema war selbstverständlich der Golfkrieg. Die Grünen waren bislang die einzige pazifistische Partei (die Linke gab es noch nicht und auch ihre Vorläuferpartei, die PDS war nicht im Kreistag vertreten). Leider jedoch sprachen die Grünen jetzt nicht mehr mit einer Stimme. Marita Eichmann-Hartig aus der grünen Fraktion – sie war früher in der CDU und wanderte wenige Monate später in die USA aus) begrüßte den Angriff. Ich sprach in meiner Rede zur Aktuellen Stunde eine andere, deutliche Sprache. Ich verglich den Angriff auf den Irak mit dem deutschen Überfall auf Polen und die Bomardierung Bagdads und anderer Städte mit der Bombardierung deutscher Städte wie Dresden und Hanau durch anglo-amerikanische Luftangriffe. Anschließend ließ die SPD-Fraktion wissen, dies hätte noch ein Nachspiel, sie würden meien Rede zum Anlass einer Untersuchung machen. Allerdings fanden ihre Juristen nichts, was gerichtlich gegen mich verwertbar war.

Aber mein Engagement im Golfkrieg - respektive gegen den Golfkrieg - zeigte sich nicht nur im Denken und Reden, sondern auch im Handeln. Anlass dafür war eine Erklärung von Bundeskanzler Kohl. Er sagte, Deutschland werde sich nicht mit Truppen, sehr wohl aber finanziell am Golfkrieg beteiligen, dazu würde die Mineralölsteuer erhöht. Tatsächlich beschloss der Bundestag daraufhin die Erhöhung der Mineralölsteuer um 22 Pfennig, die mit Abstand stärkste Erhöhung, die es jemals bei dieser Steuer gab. Ich habe daraufhin mein Auto abgeschafft: die Bombardierung Bagdads wollte ich nicht mitfinanzieren. Von da an hatte ich 18 Jahre lang kein Auto mehr (bis ich 2009 aufs Land zog).

Ich bewegte mich dann nur noch zu Fuß, mit dem Rad, Bussen oder Bahnen fort. Hatten wir in den 80er Jahre noch Urlaub mit dem Wohnmobil gemacht, so fuhren meine Kinder und ich jetzt mit dem Rad in den Urlaub – innerhalb Deutschlands, nach Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich und Belgien. Das hatte nicht nur einen pazifistischen Vorteil, sondern auch einen ökologischen, trug zur Entschleunigung bei und zum genaueren Hinsehen, wo wir eigentlich waren.

Auf diese Weise beteiligte ich mich aktiv am Golfkrieg – auf pazifistischer Seite.

Unvergessen sind mir allerdings auch die viele Wochen langen Militärtransporte. Mein Wohnort Großauheim lag damals in der Einflugschneise des Rhein-Main-Flughafens und der daran angrenzenden US-Miltary-Base. Hier war der Drehpunkt sowohl für die Militärtransporte aus Amerika in die Golfregion als auch für die Verlagerung der US-Truppen, die an der untergegangenen deutsch-deutschen Grenze nicht mehr gebraucht wurden und ebenso in die Golfregion verlagert wurden. Jede Nacht flogen die schweren und Lauten Miltärtransporter über unser Haus um die todbringende Fracht in den nächsten militärischen Brennpunkt der Welt (nach der Auflösung des Warschauer Paktes zu bringen: in den Mittleren Osten.


Das drohende Grollen einer unmenschliche Militärmaschinerie war mein nächtlicher Begleiter, ein Dröhnen, dass ich nie vergessen werde.


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