Horst, der Mensch: Der verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum Wohl aller Wesen – Geschichte eines europäischen Buddhisten - Stand 22.1.2020


Szene 073 – BuddhaNetz-Info & Co. - 1996-2006



Es war zu Beginn des Jahres 1996, als ich mich für eine von vier Buddhistischen Richtungen entscheiden wollte: entweder Triratna (damals: FWBO), oder dem Internationalen Netzwerk Engagierter Buddhisten (INEB), oder aber die Richtungen die mit dem Namen der Theravada-Nonne Ayya Khema oder dem Mahayana-Mönch Thich Nhat Hanh verbunden werden. Leider hatte sich bald herausgestellte, dass das INEB keine Sangha, keine eigene spirituelle Gemeinschaft, ist, sondern ein Querverbund von in anderen Richtungen Praktizierenden. Ostern 1996 hatte ich einen Retreat von Triratna besucht, der mir sehr gut gefallen hatte, hier fühlte ich mich zuhause. Jedoch stellte sich heraus, dass man dort nicht sofort mitmachen kann, um den Dharma weiter zu verbreiten, sondern dass dies im Wesentlichen Ordinierten vorbehalten war und sehr langjährigen Mitras (offiziell anerkannten Freunden des Ordens).

Also entschied ich mich, einerseits als Sangha für Triratna, und – da ich dort als Neuling nicht wirklich zum Wohl aller Wesen arbeiten konnte - dafür, mich beim INEB einzubringen.

vgEs gab im Frühsommer eine Versammlung des deutschsprachigen Teiles des Netzwerkes in der Pagode Vien Giac in Hannover (Bild). Das war ein sehr eindrucksvolles Gabäude der vietnamesischen Buddhisten. Mir war diese Kultur zwar sehr fremd – vor allem die fette Nudelsuppe, die es als Frühstück gab – allerdings bei der Morgenandacht hatte ich doch so etwas wie ein Heimatgefühl, weil hier - genau wie bei Triratna – die Zufluchten und Vorsätze in Pali rezitiert wurden.

Der Austausch untereinander krankte meines Erachtens etwas an der sehr dominierenden Haltung, die der Koordinator des deutschsprachigen INEB einnahm. Ich stellte fest, dass das nicht nur mein Eindruck war; in Gesprächen mit anderen hörte ich den gleichen Unmut, und mir kam der Gedanke, dass die Tatsache, dass das Netzwerk doch eine recht schmale Basis hat, auch etwas mit einer Abstimmung mit den Füßen gegen diese dominante Rolle zu tun hatte. Andererseits schienen alle diesen Führungsstil – wenn auch unter Grummeln – hinzunehmen. Die Selbstverpflichtung zu einem freundlichen Umgang miteinander wurde so zur Bürde, die Änderungen erschwerte, wenn nicht gar unmöglich machte. Das INEB beschäftigte sich mit sozialen, ökologischen und friedenspolitischen Themen. Ich suchte nach Möglichkeiten für eine Änderung, für eine Rolle, die ich darin zum Wohl aller Wesen spielen könnte.

Daher schlug ich am letzten Tag, als es um Perspektiven ging, vor, statt sich immer im Plenum zu treffen, durchaus auch einmal separate Treffen zu den Bereichen Ökologie, Soziales oder Friedenspolitik zu machen, auch wenn dann vielleicht nur acht bis zehn TeilnehmerInnen kämen, aber dann sei eine zielgerichtete Gruppenarbeit möglich. Und um ganz konkret zu werden, würde ich mich bereit erklären, ein erstes Treffen vorzubereiten und zu organisieren. Dies könnte ganz zentral in Deutschland im Rhein-Main-Gebiet stattfinden, nämlich im ÖkoBüro Hanau. Der Vorschlag wurde dankbar aufgegriffen und man verabredete sich für Ende September zu einer Wochenendtagung im ÖkoBüro Hanau.

Auf das INEB war ich auf einer Tagung der Deutschen Buddhistischen Union in München im Vorjahr aufmerksam geworden. Dort lag auch die Zeitschrift „Mitwelt“ des Netzwerkes aus, die mir sehr gut gefiel. Leider musste ich auf der Tagung in Hannover erfahren, dass diese Zeitschrift nach nur vier Ausgaben, die im halbjährlichen Abstand erschienen waren, eingestellt worden war. „Zu viel Arbeit, wobei die Gestaltung, die Textauswahl, der Druck und der Versand allein bei mir lagen“, hatte Franz-Johannes gesagt. Ich fand es sehr schade, dass diese Zeitschrift nicht mehr erschien. Ich gab damals fürs ÖkoBüro Hanau monatlich ein kleines achtseitiges kopiertes Heft heraus, „ÖkoInfo“ genannt, und versendete es an die Initiativen und Einzelpersonen im Main-Kinzig-Kreis, die mit uns zusammen arbeiteten. Mir war die Idee gekommen, dass ich so etwas auch anbieten könnte fürs Netzwerk. Das wäre zwar keine richtige Zeitschrift, aber besser als nichts. Das wäre mein Vorschlag für ein konkretes Projekt, das ich bei der Tagung in Hanau vorbringen könnte, sagte ich mir.

Tatsächlich kam es zu dieser Versammlung; unter anderem nahmen Franz-Johannes, Yeshe Udo Regel, Alexander und einige andere Teil, darunter erstmals auch jemand, der eher zufällig angefragt hatte, ob es bei uns buddhistische Veranstaltungen gab und der später mein Freund Stefan (Szene 094) wurde.

tIch hatte für Übernachtungsplätze gesorgt, teilweise bei einer Frau des Netzwerkes in Maintal, teilweise bei mir, unter anderem schliefen zwei Personen, darunter Yeshe, im Tempel. Den Großauheimer Tempel (Bild) hatte ich im Jahr zuvor gebaut. Jetzt fand erstmals eine richtige Veranstaltung darin statt, eine Siebenfältige Puja, von mir geleitet. Ich hatte zwar Yeshe, der immerhin fünfzehn Jahre als Lama Yeshe, als tibetischer Mönch, gelebt hatte, gefragt, ob er nicht eine rituelle Veranstaltung leiten wollte, doch er fand es besser, wenn ich dies durchführe, daher gab es eine Puja im Stil der Buddhistischen Gemeinschaft Triratna.

Der Freitagabend diente dazu, sich vorzustellen und zu beschnuppern. Am Samstag begann dann die Sitzung, bei der Franz-Johannes bat, anfangs ganz kurz darstellen zu dürfen, was sich derzeit im INEB täte. Diese „ganz kurze Darstellung“ nahm dann allerdings den ganzen Samstag und noch einen Teil des Sonntags in Anspruch, was doch ziemlich an den Ablauf in Hannover erinnerte.

Am Sonntagmorgen schlug ich dann vor, nur noch bis max. 11 h bei diesen einleitenden Tagesordnungspunkt zu bleiben, denn ich hätte hinterher noch einen wichtigen konkreten Vorschlag für unsere Arbeit zu unterbreiten, den wir danach diskutieren sollten. Dieser Verfahrensvorschlag wurde dankend – mit hörbarem Aufatmen – angenommen.

Ich schlug vor, eine abgespeckte Version der Zeitschrift Mitwelt herauszugeben. Alle die Tätigkeiten, die Franz-Johannes geschildert hatte und die ihm zu viel seien, sei ich bereit zu übernehmen. Allerdings sei das keine Zeitschrift, wie man sie an Kiosken findet, sondern ein Mitteilungsblatt wie das Ökoinfo, das ich bei dieser Gelegenheit verteilte. Das ÖkoInfo war ein dünnes achtseitiges Heftchen im DIN-A-5-Format und fotokopiert. Ich sagte, dies sei das, was ich leisten könne, und zwar mit 24 bis 32 Seiten einmal im Quartal. Ich hoffe darauf, von den anderen Teilnehmern Texte geliefert zu bekommen, auch Bilder. Franz-Johannes verwies darauf, man könnte auch Artikel aus dem englichsprachigen Heft des Netzwerkes, den „Seeds of Peace“ verwenden. Verschiedene Leute kündigten an, unregelmäßig Beiträge zu liefern, Alexander bot sich als Korrekturleser an. Ich sagte außerdem, ich sei in der Lage, das Heft zu einem Endverbraucherpreis von 5 DM (incl. Porto) erstellen, produzieren und versenden zu können.

So hatte die Tagung des INEB im ÖkoBüro Hanau zumindest ein sichtbares Ergebnis – und ich erstmals eine Aufgabe, wie ich zum Wohl aller Wesen in einer buddhistischen Organisation tätig sein konnte. - Ich war richtig glücklich darüber!

Zwar stellte sich in den nächsten Wochen heraus, dass Franz-Johannes vieles zu kritisieren hatte und auf sehr vielen Änderungen bestand, unter anderem musste in dieser Zeit zwei Mal der Name der Zeitschrift geändert werden, und er hatte auch detaillierte Vorstellungen was Einzelheiten anging wie Seitenumbrüche oder Schrifttypen. Ich fand einiges ziemlich nervig, aber im Dezember war die erste Ausgabe des BuddhaNetz-Info fertig. Es wurde an alle Kontaktadressen, die Franz-Johannes mir gegeben hatte, versendet, außerdem an alle buddhistischen Gruppen in Deutschland, insgesamt kanpp 1000 Hefte. In diesem ersten Anlauf gewannen wir etwa 100 Abonnenten. Das war nicht der ganz große Wurf, aber es war ein Anfang gemacht. Im ersten Jahr gelang es mir auch, mich schrittweise von der Bevormundung durch Franz-Johannes, zu lösen. Ich möchte aber auch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass Franz-Johannes ganz viele hervorragende Qualitäten hat und ganz wichtige Beiträge für den Buddhismus in Deutschland geliefert hat.

4Im Herbst des folgenden Jahres war der Dalai Lama zu einer großen Veranstaltung in Deutschland. Die Idee war es, dort das BuddhaNetz-Info zu präsentieren und so zahlreiche neue Abonnenten zu gewinnen. Zur Verteilung konnte ich leider nicht erscheinen, aber Franz-Johannes und der frühere Vorsitzende der Deutschen Buddhistischen Union, Alfred Weil, hatten zugesagt, das zu übernehmen. Leider hatten diese auf dem Weg dorthin einen Autounfall, sodass nur ein kleiner Teil unserer recht großen Auflage dort unter die Leute gebracht werden konnte.

Ich selbst habe bei den beiden folgenden Kongressen der Deutschen Buddhistischen Union in Freiburg und in Berlin einen Stand des INEB gehabt und dort das BNI versucht an den Mann (oder die Frau) zu bringen. Allerdings ist die Zahl der AbonnentInnen nie über 200 herausgekommen. Das war nicht allzu berauschend und hat alsbald auch dazu geführt, dass ich von den anderen Leuten keine Artikel mehr geliefert bekam, sodass ich mehr und mehr auf die Beiträge aus der „Seeds of Peace“ angewiesen war, die ich allerdings erst ins Deutsche übersetzen musste.

1987 hatten wir die Koordination EnergieWende Main-Kinzig e.V gegründet. Seit 1994 war dieser Verein auch Träger des ÖkoBüro Hanau. Technisch gesehen war das ÖkoBüro ein „Zweckbetrieb eines gemeinnützigen Vereines“. Die Rechnungslegung für beide Bereiche erfolgte getrennt, ich war der Vorstand des Vereins und gleichzeitig der Geschäftsführer des ÖkoBüro Hanau. Nun schlug ich meinen Freunden vom Komitee der Koordination e. V. vor, auch das BNI unter unsere Fittische zu nehmen. Sie waren nicht wirklich begeistert. Andererseits wussten sie, dass ich eine ordentliche Arbeit leistete und dafür sorgte, dass kein Vereinsbereich defizitär lief, sie stimmten also meinem Vorschlag – wenn auch alles andere als begeistert - zu. Insgesamt erschienen 17 Ausgaben des BNI bis zum Winter 2001/2002. Das Abo kostete pro Jahr (vier Ausgaben) 20 DM, seit der Umstellung auf den Euro (2001) 10 €. Inzwischen waren jedoch die Portogebühren zweimal angehoben worden. Mir erschien der Preis des Heftes allerdings bereits am oberen Ende des Zumutbaren. Eine Preiserhöhung, so fürchtete ich, würde das Projekt endgültig beenden.g

Daher stellte ich die Erscheinungsweise um. Das Heft erschien von 2002 an nur noch zwei Mal jährlich – so wie früher einmal die „Mitwelt“, der Umfang betrug weiterhin zwischen inzwischen 28 und 44 Seiten, allerdings wurde das Format auf A 4 verdoppelt, sodass der tatsächliche Umfang pro Jahr beibehalten werden konnte, aber das Porto eben nur zweimal und nicht viermal jährlich anfiel. Im März 2002 erschien das erste Heft, des „Engagierten Buddhismus“, des Nachfolgers des BNI. Es gab keine größeren Werbeaktionen mehr, dafür fehlte die Kraft und die finanziellen Mittel. So kam es, dass die Auflage weiter abbröckelte, es kamen weniger neue AbonnentInnen dazu, als alte absprangen. Außerdem bekam ich inzwischen von unseren Netzwerks-Leuten praktisch gar keine Artikel mehr – und wenn, dann waren sie so lang, dass sie für eine Zeitschirft ungeeignet waren.

rr1Ich machte aus dieser Not eine Tugend. Mitunter wurde ein Heft des Engagierter Buddhismus durch eine Monografie ersetzt, ein Heft mit nur einem Artikel, ich nannte dies dann „Rote Reihe“ zum Unterschied von der „Gelben Reihe“, den üblichen Ausgaben des „Engagierten Buddhismus“.

Außerdem gab es noch die sog. „Blaue Reihe“, eine Sammlung von Aufsätzen zu einembr3 Thema, kleine Paper-backs, die etwas über 100 Seiten Umfang hatten. Ich selbst steckte inzwischen nicht mehr unnötig viel Arbeit in dieses Projekt, da ich mit dem Projekt „FWBO Frankfurt“ voll ausgelastet war: ich leitete eine buddhistische Gruppe in Frankfurt, wofür ich meist mehrere Veranstaltungen wöchentlich nicht nur durchzuführen, sondern auch vorzubereiten hatte und die Öffentlichkeitsarbeit dafür leisten musste. Als die Zahl der AbonnentInnen auf einhundert geschrumpft war, verkündete ich daher das Ende des Projektes.

Im Heft 10 der „Gelben Reihe“ des „Engagierten Buddhismus“ schrieb ich, dass ein indianisches Sprichwort sage, man solle absteigen, sobald man bemerkt, dass man ein totes Pferd reitet. Ich schrieb, dass es da noch ein anderes, ein sehr lebendiges Pferd gäbe, das ich zu reiten hätte, nämlich die FWBO Frankfurt, und dass ich mich jetzt ganz darauf konzentrieren würde, dieses Pferd zum Wohle aller Wesen zu reiten.


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